Quick Code Service
Hui Ye untersucht in ihrem Forecast-Projekt die Schnittstelle zwischen Techno-logie und Identität im Hinblick auf die Frage nach dem Vertrauten und Intimen. Als sie nach zwölfjähriger Abwesenheit wieder nach China zurückkehrte, reali-sierte die Videokünstlerin, dass sich das dort das heutige Leben vor allem im permanenten Hin und Her zwischen der digitalen und der realen Welt abspielt. Im chinesischen Alltag sind beide Sphären längst zu einer einzigen Realität verschmolzen.
„QR-Codes spielen in der App WeChat eine zentrale Rolle. An ihnen wird der Crossover zwischen der realen und der virtuellen Welt am deutlichsten. Auf WeChat funktionieren QR-Codes wie Visitenkarten. Um sich mit einem Account zu verbinden, muss man nur den QR-Code der entsprechenden Person scannen. Über WeChat wird mobil bezahlt. Statt eines Kassierers findet sich an der Kasse ein QR-Code. Transaktionen werden ohne Banknoten oder Münzen abge-wickelt.“
In ihrem künstlerischen Experiment Quick Code Service möchte Ye die Unter-scheidung zwischen dem Realen und dem Virtuellen hinter sich lassen und kon-struiert ihre Identität ausschließlich über den QR-Code von WeChat. Freunde Yes – die physisch abwesend bleibt – werden in China ihren WeChat-QR-Code durch den Alltag „tragen“ und ihn mit den Menschen teilen, die sie dabei treffen. Der Code bezeugt letztlich Yes virtuelle Existenz. Da sie mit ihren Freunden auf WeChat via Live-Chat verbunden ist und mit ihnen Bilder und Videos teilt, bleibt die Künstlerin beinahe in Echtzeit über deren tagtägliche Routinen informiert. Ye wird die Wege ihrer Freunde von Wien, ihrem Aufenthaltsort, aus verfolgen. Sie versucht, deren „Realität“ entsprechend ihrer Kommunikation auf WeChat zu rekonstruieren. Diese Prozesse werden dokumentiert und dienen als Material für eine fiktionale filmische Dokumentation, die Ye für Forecast produzieren wird.
Schon in ihrer Arbeit Romance von 2016 hat die Videokünstlerin ähnliche The-men unter die Lupe genommen und die zermürbende räumliche Enge sogenann-ter „Wedding Streets“, also Heiratsstraßen, unter die Lupe genommen. Auf diesen Straßen wird alles Mögliche rund ums Heiraten angeboten, es gibt „Love Motels“, Stundenhotels, die vor allem von jungen Menschen genutzt werden, die zuhause keinerlei Privatsphäre haben, oder christliche Kirchen. Auch in diesem Projekt warf Ye einen Blick auf den Kollaps althergebrachter Ideen von Intimität und darauf, wie Träume und Erinnerungen in der Künstlichkeit heutiger Intimität zum Verschwinden gebracht werden.
Die Video- und Klangkünstlerin Hui Ye lebt in Österreich und China. Mehr Informationen über ihre Arbeit unter yehui.org.
Image: Hui Ye