The Poetry of Getting Lost
Für ihren Beitrag zu Forecast kombiniert Lisa Tuyala elektronische Musik mit erweiterten Stimmtechniken und einer dekonstruierten Sprache. Und sie erzählt dabei eine Geschichte, die ihr persönlich am Herzen liegt: Anhand der Briefe, die ihre deutsche Mutter in den 1970ern aus Zaire – wo sie mit Tuyalas Vater lebte –, an ihre Angehörigen in Duisburg schrieb, rekonstruiert die deutsch-kongolesische Künstlerin ihre Familiengeschichte. Inspiration findet Tuyala dabei auch bei Barbara Myerhoffs Stories as Equipment for Living. Sie folgt in ihrer Arbeit Myerhoffs Maxime, dass „Geschichten sich im Kreis drehen, statt in geraden Linien zu verlaufen. Es hilft also, auch im Kreis zuzuhören …“.
„Mir geht es bei der Untersuchung meiner Familiengeschichte um die trans-kulturellen Aspekte und die Fragmentierung der Biografie, die darin zum Aus-druck kommt, vor allem im Hinblick auf die Möglichkeiten, aber auch die Beschränkungen von Sprache. Um diese Art von ‚Geschichten’ unter die Lupe zu nehmen, setze ich auf eine dekonstruierte Sprache, auf Klanggedichte, Impro-visation und vieles mehr. Mein Ziel ist es, eine neue Art universelle Sprache für eine postmoderne, globalisierte Welt zu entwickeln. Wir müssen in Kreisen hören lernen …“
Das Sprachliche als Kategorie liegt auch Tuyalas kompositorischer Arbeit zu-grunde. The Poetry of Getting Lost ist für sie eine Möglichkeit, an den Ideen für ihr zweites Konzeptalbum zu feilen. Zusätzlich zu ihren eigenen Auftritten hat sich Tuyala mit den linguistischen Aspekten von Performativität und Judith Butlers Theorie einer Performativität der Geschlechter auseinandergesetzt. Mit ihrer Band Tuyala und mit ihrem Projekt May Ayim untersucht sie die Grenzen zwischen Sprache und Song.
Lisa Tuyala hat Jazzgesang am Royal Conservatoire in Den Haag studiert. Sie lebt als Komponistin und Musikerin in Stuttgart. Weitere Informationen unter lisatuyala.com.
Photos: Lisa Tuyala, Büro Achter April