Ein Projekt von Marina Andronescu

Threshold Politics

Marina Andronescus Projekt richtet den Blick auf eine Gemeinschaft von jungen Menschen, die sich in Bukarests unterirdischem Röhrensystem angesiedelt hat, das die Stadt mit Wärme versorgt. In ihrem Projekt entwirft sie architektonische Mechanismen mit dem Ziel, die direkte Lebensumgebung der Kinder wie auch die politische Gesamtsituation gleichermaßen zu verändern, und ihnen letztendlich die Rückkehr in ein Leben über der Erde zu ermöglichen.

 

„Die Kinder sind das Erbe Ceaușescus eines Regimes, das die Menschenrechte mit Füßen getreten und einen drastischen Prozess der „Systematisierung“ betrieben hat. Über die Jahre haben diese Kinder eine Reihe urbaner Taktiken, bzw. thresholds oder Schwellenbereiche entwickelt, um ihre Lebensbedingungen zu verbessern. Diese Taktiken oder Strategien sind für sie ein Weg, aus ihrer thermischen Isolation auszubrechen und die Kontrolle über ihre Umwelt wiederzuerlangen, wie auch über ihre Identität.“

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Thermal Map

Threshold Politics greift mit seinen thermischen Interventionen zwei proble-matische Aspekte im Leben der Kinder auf. Der erste: Die Kinder verlassen das Röhrensystem meist durch Schachtöffnungen, die sich mitten auf großen Chausseen befinden, durch die der Wind fegt. Der Wechsel von extremer Hitze im Tunnel und frostigen Temperaturen außerhalb sind im Winter eine besondere Herausforderung. Andronescus Ansatz macht sich die Kräfte von Luftstrom, Druck und Konvektion zunutze, um den Ausstieg weniger brutal zu gestalten.

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Waiting Space

Der zweite: Aufgrund der stickigen Hitze, die sich im Sommer in den Röhren staut, schlafen die Kinder oft draußen. In Sichtweite der Tunnel können sie Eindringlinge beobachten und notfalls abwehren, gleichzeitig sind sie jedoch schutzlos und müssen auf dem heißen Boden campieren. In ihrem Entwurf funktioniert Andronescu Kolonnaden von Hochhäusern aus kommunistischer Zeit mittels Thermolabyrinthen, Verdunstungskühlung und Wärmespeicherung um zu temperierten Schlafmöglichkeiten.

Diese beiden Interventionen sind der erste Schritt innerhalb eines größer angelegten Projekts zu sozialen, häuslichen und transitorischen Orten. Die subtilen architektonischen Eingriffe sollen es den Kindern ermöglichen, mehr Zeit über der Erde zu verbringen und – da sie sich dort wohler fühlen – neue soziale Kontakte zu knüpfen. Das Ziel von Threshold Politics, das an der Schnittstelle von Meteorologie und Physiologie arbeitet, ist es, die richtigen politischen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass die Kinder dauerhaft über der Erde wohnen können.

Marina Andronescu ist Architektin und lebt in London.

Images: Marina Andronescu